Bevor wir darauf eingehen, warum wieso weshalb, möchte ich die Uhr gerne noch einmal ein wenig zurück drehen auf den Dezember 2017. Im September des gleichen Jahres habe ich mich entschieden, nicht mehr für das Start Up arbeiten zu wollen, bei dem ich angestellt war. Mich hat es frustriert, dass nichts voran ging und man das Gefühl hatte, man arbeitet für nichts. Ausserdem waren die Ideen der Geschäftsleitung nicht immer meine. Und nachdem ich oft genug daheim meinen Frust rausgelassen habe und geschimpft habe, dass es mich annervt, so viel Energie in den Aufbau eines Unternehmens zu stecken, was nicht mir gehört, hat mein damals grad frisch angetrauter Ehemann gesagt
"Dann mach doch dein eigenes Ding!".
Ein Satz der mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist und so habe ich mich nach unseren grossen Flitterwochen in unser Arbeitszimmer zurückgezogen und mir ein grosses weisses Blatt genommen. Und darauf ist dann ab Dezember 2017 über Monate umdenker entstanden. Die Idee, Recherche zum Markt, Analysen der Konkurrenz, die Namensfindung, der Businessplan, der erste Einkauf und dann im April 2018 die offizielle Gründung - an all diese Momente kann ich mich tatsächlich erinnern als wäre es gestern. Und auf viele darauf folgende Momente auch. umdenker ist seit diesem Tag zu so viel mehr geworden als ich es mir vorgestellt habe, hat sich gewandelt und angepasst und hat dann am Ende leider doch die Kurve nicht bekommen.
Gehen wir zurück zur heutigen Zeit. Manchmal frage ich mich, ob ich einfach ein wenig viel gewollt habe. Nicht nur habe ich im April 2018 gegründet, ich bin dann im November 2019 Mama geworden und konnte mich seitdem nicht mehr mit vollem Einsatz nur umdenker widmen. Wir sind dann 2020 umgezogen und nachdem ich aus der Babypause wieder voll ins Business eingestiegen bin, kam bei mir relativ schnell der Gedanke hoch, dass ich von meinen Kunden und meinen Produkten eigentlich gar nichts mehr richtig mitbekomme. Ich hatte zwischendurch das Gefühl, mein eigenes Business nicht mehr richtig greifen zu können. Und so gaaaanz langsam kroch die Idee in den Vordergrund sich auch noch einmal offline auf dem Markt zu etablieren. Diese Idee ist mir bereits während der Gründungszeit im Kopf herumgeschwirrt, aber damals war unser Leben noch sehr bestimmt von Reisen und überall arbeiten zu wollen. Das hatte sich mit der Ankunft vom ersten mini-umdenker dann irgendwie verändert und so habe ich mich dann Ende 2021 entschieden, den nächsten Schritt im Business zu gehen. Im Juni 2022 haben wir dann hier in Uitikon, quasi bei mir daheim um die Ecke, den Laden eröffnet. Ich war voll darauf vorbereitet, dass der Anfang zäh werden würde und wir vielleicht eine Anfangsphase haben, die eher einer Durststrecke gleichen würde. Aber ich war so happy, näher an euch meinen Kunden zu sein, mich mit euch auszutauschen und inmitten meiner Produkte zu stehen. Das hat mich extrem beflügelt und motiviert. Und dann hat sich unser zweiter mini-umdenker angekündigt und mal wieder ein paar Dinge auf den Kopf gestellt. Ich habe Debby als Support eingestellt, vor allem auch für die Zeit der Babypause. Die habe ich sehr kurz gehalten, weil ich auch schnell wieder im Laden sein wollte. Aber bereits dort hat man gesehen, dass die Durststrecke vielleicht etwas intensiver werden wird als angenommen. Und so haben wir mit dem Ende meiner Babypause dieses Jahr im September noch einmal gedacht, dass vielleicht ein Umzug im gleichen Haus noch eine Wende bringen kann, aber auch das hat leider nicht mehr geholfen.
Die Frage, ob ich zu viel gewollt habe, schwirrt schon in meinem Kopf rum. Ist es möglich, ein Business mit 2 kleinen Kindern, einem Ehrenamt und Freunden und Familie zu haben? Ist es möglich, es zu etwas aufzubauen was einen selber finanziert? Die Antwort darauf ist sicherlich ja. Die Antwort ob ich es geschafft habe, ist nein.
umdenker scheitert aber nicht an meiner Familiensituation oder daran, dass ich nicht immer selber im Laden gestanden habe. umdenker scheitert unterm Strich daran, dass der Markt sich leider nicht in die Richtung entwickelt hat, wie ich es wollte. Als ich gegründet habe, war Nachhaltigkeit bereits in aller Munde. Viele kleine innovative Start Ups haben tolle Produkte auf den Markt gebracht, Ideen gegen Food Waste, für Müllvermeidung und alternative Materialien sind überall hoch gekommen. Eine mega spannende Zeit. Die Grossunternehmen sind langsam auch auf den Zug Nachhaltigkeit aufgesprungen, aber vor allem eher im Bereich Marketing. Wie verkaufe ich mein jetziges Treiben als nachhaltig.
Aber ich hatte das Gefühl, das Thema kann nur prominenter werden, die Leute können nur mehr und mehr überzeugt sein, dass ein nachhaltiger Konsum der einzige Weg vorwärts ist. Und das hat sich zunächst auch bewahrheitet. Vor allem mit der Corona-Krise, die auf einmal ganz viel in unser aller Leben auf den Kopf gestellt hat. Reisen war unmöglich, Freunde treffen auch und unser Daheim ist auf einmal unser wichtigstes Hab und Gut geworden. Und so haben sich viele damit auseinander gesetzt, was man daheim und im eigenen Leben denn verändern könnte. Auch das Geld war auf einmal "übrig" um für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Und diese Zeit hat mich richtig bestätigt. umdenker ist im Lockdown gewachsen und gewachsen.
Und dann kamen erste Schwierigkeiten - Produzenten konnten nicht mehr liefern, die Lieferkosten sind gestiegen und damit auch die Endpreise und nach dem ersten harten Coronajahr war die Stimmung so ausgelassen, dass Nachhaltigkeit richtig in den Hintergrund gerutscht ist. Man wollte sich einfach bitte mit nicht noch einer globalen Krise, die potentiellen uns und unsere Existenz bedroht, auseinandersetzen. Ich konnte das so gut nachvollziehen, aber auf der anderen Seite war ich wirklich enttäuscht.
Branchen wie die Flugindustrie waren am Boden und hatten eigentlich verstanden, dass ihre jahrelange Strategie möglichst billig alles anzubieten, nicht für Krisenzeiten sorgt und man schneller als andere vor existenziellen Problemen steht. Aber anstatt es durchzuziehen und die Chance zu nutzen, hier einen wahren Impact zu generieren, war die Parole möglichst schnell viel Geld machen und das geht nun mal am besten mit niedrigen Preisen.
Gleichzeitig war der Markt aber gefüllt von coolen Läden und Anbietern für nachhaltige Produkte. Kleidung von fairen Labels, Kaffee, Nahrungsmittel und unverpackt Läden. Regional war auf einmal wieder cool und hat vor allem auch funktioniert.
Denn was wir aus dieser globalen Krise lernen durften, dass jedes Land auf sich schaut wenn es hart auf hart kommt. Die Grenzen werden dicht gemacht und jeder ist auf sich alleine gestellt. Lieferketten brechen zusammen und es ist nicht mehr selbstverständlich zu jeder Tageszeit alles sofort zu bekommen.
Und die kleinen lokalen Geschäfte hatten es auch echt verdient - denn sie waren es die in der Corona-Krise über sich hinaus gewachsen sind und schnell adaptiert sind, um ihre Kunden zu beliefern und am Markt bestehen zu bleiben.
Die Grossen haben erst mal abgewartet und waren dann oftmals zu träge um zu reagieren. Zu gross eben. Aber als die Welt dann im neuen Normal angekommen ist, war auch einmal alles wie vorher. Das Geld wurde für "Luxus" wie Reisen, Kleidung, etc. ausgegeben. Erinnert ihr euch noch an die Bilder in der Zeitung direkt nach dem Lock-Down? An der Bahnhofstrasse in Zürich haben die Leute Schlange gestanden bei allen Luxusmarken, einfach weil sie jetzt ein wenig Geld gespart haben und es anscheinend sofort ausgeben mussten. Eben für Luxus.
Und so ist die Situation nun: viele kleine tolle Läden verschwinden. Mieten werden immer teurer, Unterhaltskosten auch. Mitarbeiter wollen fair verdienen und dann bleiben auch noch die Kunden aus. Die Kunden bleiben aus genau den gleichen Gründen aus. Ihre Lebensunterhaltskosten steigen und dann verzichtet man eben hier und da auf Luxus.
Und Nachhaltigkeit ist Luxus geworden.
Zumindest in den Köpfen der Menschen. Ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann und will. Ich kann es schon manchmal fast nachvollziehen, dass sich Leute fragen, warum sie für das scheinbar gleiche Produkt mehr ausgeben sollen in einem kleinen Laden, der vielleicht nicht 12 Stunden am Tag aufhat, als wenn sie es für viel weniger Geld im Discounter oder Grossverteiler einkaufen können. Im Foodbereich habe ich das Gefühl dass Nachhaltigkeit gleich Bio ist. Und das ist so falsch, dass ich es hier grad nicht aufarbeiten kann ohne euch ein ganzes Buch zu schreiben. Und im Lifestyle Bereich ist Nachhaltig einfach nicht nötig. Mit Firmen wie Temu, die den Markt innerhalb von kürzester Zeit überschwemmt haben und auf Masse statt Qualität oder ganz geschweige denn gute und faire Produktionsbedingungen achten, wird das Thema Nachhaltigkeit immer mehr in den Hintergrund gerückt. Und manchmal sogar noch dreister: Temu hat sogar "nachhaltige" Produkte, die dir helfen im Alltag irgendetwas besser zu machen. Und versteht mich nicht falsch - mein Motto steht nach wie vor, jeder Schritt ist richtig und wichtig. Aber bei mir hört es ein wenig auf, wenn ich Unternehmen wie Temu unterstütze um nachhaltig zu leben. Aber auch das ist eine andere Debatte.
Fest steht, dass wir vor allem im letzten Jahr in der nachhaltigen Community von vielen Kollegen, Vorreitern und tollen Ideen Abschied nehmen mussten und es ist nun hiermit offiziell: umdenker ist auch unter ihnen! Wir sind schlichtweg dem Markt zum Opfer gefallen und haben nicht mehr den Schnauf noch länger durchzuhalten. Als ich 2018 gegründet habe, war mir immer bewusst, dass auch ein mögliches Scheitern zu einer Selbständigkeit gehören kann. Es scheint eben nicht immer nur die Sonne für uns Unternehmer. Ich wollte nie jemand sein, der vor lauter Herzblut und Eigeninteresse den Blick für die Realität verliert. Und daher gab es immer einen Zeitpunkt X, an dem ich für mich bestimmt habe, dass umdenker nicht funktioniert und meine Idee am Markt nicht lebensfähig ist. Und dieser Zeitpunkt ist vor einer ganzen Weile bereits gekommen. Und ja, ich war trotzdem die Unternehmerin die ihr eigenes Baby nicht ziehen lassen konnte, aber ich musste einen harten Kurs in Realität machen und mir selber eingestehen, dass es nicht klappt und wir so nicht nachhaltig lebensfähig sind.
Und glaubt mir, dieser Blick war wohl mit das schwerste was ich gemacht habe. Sich selber einzugestehen, dass die eigene Idee nicht funktioniert und man auch nicht mehr weiss, was man machen soll.
Ich hatte viele schlaflose Nächte und bin buchstäblich durch ein Tal der Tränen gegangen und habe dann den Entscheid getroffen. Die ersten Male laut auszusprechen, dass umdenker nicht funktioniert und ich aufgebe, war extrem hart. Denn es hat sich für mich teilweise echt angefühlt, wie aufgeben. Aber jetzt mit ein wenig Abstand, weiss ich dass es die richtige Entscheidung is - wirtschaftlich und auch für mich.
umdenker hat ein grandioses Ende verdient und hat es verdient mit erhobenem Haupt vom Markt zu gehen und nicht unter einer nicht fähigen Leitung zu stehen, die das Ende nicht kommen sehen will.
Ich bin unendlich dankbar für die Zeit, für alles was ich gelernt habe, für alle Menschen die ich kennen lernen durfte und für jede Erfahrung, die ich gemacht habe. Viele liebe Menschen in meinem privaten Umfeld haben mir die letzten Wochen geholfen zu sehen, dass dies nicht ein persönliches Scheitern meinerseits ist sondern ein Ende einer Ära, die mich geprägt hat und mich auch zu derjenigen gemacht hat, die ich bin. Ich habe in der Zeit meiner Selbständigkeit so oft dagesessen und gedacht "wow, wie löse ich denn jetzt das Problem." Denn für umdenker war ich alles - Verkäuferin, Einkäuferin, Buchhaltung, Marketing, Technikern, IT, Putzfrau und was auch immer noch dazu gehört. Und es gab zwar immer Leute im Hintergrund, die mir geholfen haben, aber grundsätzlich war ich zuständig Lösungen zu finden und das hat mich so oft gezwungen, neue Dinge zu lernen.
Und so möchte ich meine umdenker Zeit in Erinnerung behalten:
Als die 6 1/2 Jahre, in denen ich so viel lernen durfte wie noch nie. Über mich, über Geschäfte, über Nachhaltigkeit und über Menschen. Und wie dankbar ich dafür bin kann ich wirklich nicht im Ansatz ausdrücken.
An dieser Stelle möchte ich auch noch kurz zum Ausdruck bringen, wie dankbar ich euch allen bin. Ihr habt geholfen, umdenker zu dem zu machen was es heute ist. Ihr habt kritische Fragen gestellt, mir Tipps gegeben, mich unterstützt und mir auch manchen Bock verziehen. Ihr hattet Verständnis, wenn Dinge mal nicht so gelaufen sind und habt mich vor allem stets motiviert, am Thema zu bleiben. Nachhaltigkeit war, ist und wird auch eine meiner Leidenschaften bleiben. Also vielen herzlichen Dank an dieser Stelle an Euch!
Was passiert nun eigentlich als nächstes? Fangen wir mit den guten News an. Ab morgen, dem 1.01.2024 startet unser Ausverkauf. Unser ganzes Sortiment wird um 60% reduziert und ihr könnt noch einmal so richtig einkaufen und eure Vorräte auffüllen. Es hat einfach was es hat und leider kann und wird nichts mehr nachbestellt werden. Online könnt ihr eure letzte Bestellung am 18.02.2024 platzieren. Im Laden könnt ihr uns zu den gewohnten Zeiten bis am 10.02.2024 besuchen. Zum 1.03.2024 wird die jetzige Homepage bzw. der Onlineshop verschwinden. Aber keine Sorge, umdenker bleibt erhalten. Zumindest als Knowledge-Hub. Der Blog und auch die Social Media Profile werden bestehen bleiben und unter www.umdenker.ch werdet ihr dann ab Anfang März eine neue Seite finden, die gefüllt ist mit all meinem Wissen.
Nun bleibt mir nur noch ein letztes Danke und und euch einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen. Ich hoffe und wünsche mir, dass 2024 das Jahr der Nachhaltigkeit wird. Alles Liebe, Birte
Hallo Birte Zwar kennen wir uns persönlich nicht, doch gibt es eine Verbindung: In Coronazeiten habe ich eine lange gehegte Idee, ein Regionaltourismusprojekt, hier im Tössbergland umzusetzen begonnen: Tobeltouren. Aus Haftungsgründen als "Wegzeit GmbH". Alles alleine. Mit der Zeit zeigte sich, dass es eine zu kleine Nische ist, die Risiken der Begehung der unerschlossenen Tobel mit kaum abschätzbaren potenziellen Gefahren verbunden sind und ich nicht alles alleine stemmen will. Sodass ich jetzt daran bin, die GmbH zu liquidieren: Somit kenne ich dieses Gefühl, etwas nicht geschafft zu haben, gut. Doch es gibt berühmte Erfinder, z. B. Edison, die hunderte Male gescheitert sind, bevor der Erfolg sich eingestellt hat. Nur wer gar nicht erst versucht, kann nicht scheitern. Scheitert dann aber am…
.. mit all den anderen Startups und Manufakturen "nur" bewirkt haben, dass mehr Menschen und auch einige Großunternehmen anfangen sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen, war es das wert.
Ich wünsche dir viel Kraft für "das letzte Kapitel" und dann viel Zeit für dich und deine Familie ... Und irgendwann gibt es auch wieder ein neues erstes Kapitel!
Ganz herzliche Grüße,
Jette von Sauberkasten a. D.
Liebe Birte,
es tut mir so leid, dass es dich mit Umdenker nun auch erwischt hat. Aus Erfahrung kann ich mir vorstellen, wie es dir gerade ergeht. In deiner Analyse formulierst du einige Punkte, die auch wir vor und während der Schliessung von Sauberkasten 2022 wahrgenommen haben. Aber lass dir gesagt sein: Umdenker HAT funktioniert, für mehrere Jahre in denen du einen wertvollen Impact geleistet hast. Wo wären wir jetzt ohne Projekte wie unsere? Und wenn wir gemeinsam mit all den anderen Startups und Manufakturen "nur" bewirkt haben, dass mehr Menschen und auch einige Großunternehmen anfangen sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen, war es das wert.
Ich wünsche dir viel Kraft für "das letzte Kapitel" und dann viel Zeit für…