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IST NACHHALTIGER EINZELHANDEL TOT? ODER NUR DABEI ZU STERBEN?


Bevor ich jetzt loslege und mich höchstwahrscheinlich etwas von der emotionalen Seite zeige - ich liebe was ich mache und ich liebe meine Kunden! Ich liebe den Austausch mit ihnen, was ich lernen kann, ich liebe dir kritischen Fragen und ich liebe die ehrliche Kritik. Damit kann ich umgehen und von all dem hätte ich gerne noch mehr, vor allem den Kunden =) Aber die Realität von vielen kleinen Läden, nicht nur im Bereich Nachhaltigkeit sondern allgemein, sieht aktuell leider anders aus. Kunden bleiben aus, Stammkundschaft bricht weg - der Gürtel wird enger geschnallt und oftmals ist lokal und klein einkaufen der erste Verzicht. Warum fragt ihr euch nun? Meiner Einschätzung nach ist es einerseits die Annahme, dass je kleiner der Laden desto teurer die Produkte. Und anderseits ist es die Routine, die bereits seit langem gesetzt ist. 


Damit ihr merkt, dass beides wirklich keine Ausrede sein muss, gehe ich hier mal ein wenig ins Detail. Fangen wir mit dem "Wichtigen" an - lokal und "klein" einkaufen ist immer teurer! Ich könnte es hier ganz kurz machen und einfach nur schreiben, es stimmt nicht und würde recht haben. Aber zum Zwecke der Argumentation führe ich das gerne noch ein wenig aus.

Meine These ist klar: in kleinen und lokalen Läden zahlt ihr fair und zwar für alle. Vielleicht ist das manchmal bei einzelnen Produkten mehr, aber wenn ihr euren gesamten Einkauf anschaut, werdet ihr keine grossen Unterschiede feststellen können. Wir allem im Bereich Nachhaltigkeit. Ich habe euch hier im Blog ja bereits oft berichtet, was meine Definition von Nachhaltigkeit ist und da sprechen wir von drei Dimensionen: Ökologie, Soziales und Ökonomie. Und genau darum geht es eben auch - das die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt wird.

Produzenten verdienen fair in Bezug auf ihre Arbeit und ihren Einsatz, jeder Arbeiter der an den Produkten beteiligt war, bekommt einen fairen Lohn mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, Fahrer, die die Produkte von A nach B befördern verdienen fair und dann eben auch der Einzelhändler, der die Produkte in den Shop stellt.


Und warum habe ich nun als kleiner Laden andere Preise als ein Grossverteiler? Ganz einfach: ich habe nicht die Macht! Und DIE Macht möchte ich auch gar nicht haben. Denn dann geht es immer nur darum, den günstigsten Preis für die Verbraucher zu präsentieren und ich glaube dabei werden oftmals die Produzenten vergessen. Selbst nachhaltige Grossverteiler wie Alnatura haben eine andere Power auf dem Markt. Ich hatte mal einen Austausch mit einer Kundin, die erschrocken war, dass Produkt A bei mir teurer war als beim Alnatura.

Mein erster Instinkt war, dass ich mich wohl nicht rechtfertigen muss warum meine Preise sind wie sie sind weil ich weiss, dass sie fair sind.

Aber dann hat es mich echt geärgert, dass es hier nur um den Preis ging und habe mich entschieden, meinen Standpunkt klar zu machen. Angefangen, dass ich das Produkt schon teurer einkaufe als Alnatura, habe ich klar aufgelistet, wieviel ich aufschlage auf den Einkaufspreis und wofür. Das ist Marketing, Miete, Unterhaltskosten, Lohn, Versicherung, Nebenkosten, Mitarbeiter und und und. Genau wie das Alnatura auch macht. Und das ist das erschreckende - zu wissen, dass sie an dem Preis, der niedriger war als mein Einkaufspreis, auch noch etwas verdienen. Denn sie sind ja keine Samariter, sondern wollen genau wie ich auch etwas an ihrem Geschäft verdienen.


Ich will hier gar nicht Alnatura schlecht dastehen lassen oder sagen, dass ich kein Fan von dem Laden bin. Das wäre absolut falsch. Aber ich hatte noch einen anderen Fall, bei dem Alnatura zur Sprache kam und der deutlich ihre Marktpower zeigt. Ein ehemaliger Produzent von mir hat es bei Alnatura ins kurzfristige Sortiment geschafft. Es sollte ihnen helfen, mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen und mehr Publikum zu erreichen. Klingt toll und als dürfte das gefeiert werden. Doch die Realität hat so ausgesehen, dass sie ihre Produkte unter Wert und sogar unter Produktionskosten "abgeben" mussten, um dieses Angebot annehmen zu können, da Alnatura sich nicht bewegt hat bei ihren Preisvorstellungen. Die Produzenten haben es dann schliesslich verbucht unter "Marketing", aber natürlich ist aus der Partnerschaft langfristig nichts geworden. Und bei solchen Stories komme ich dann schon ins Grübeln. Sind es die Kunden, die nicht mehr bezahlen wollen und deshalb zu den Grossverteilern gehen, die dann wiederum aufgrund ihrer Power die Produzenten drücken, und so am Ende mein Business schwieriger machen? Oder fängt es an bei den Grossen, die Preise drücken können, was wir Kleinen dann ausbaden. Denn bei uns geht das nicht durch. Ich zahle den Preis, den der Anbieter als fair betrachtet. Und dann kann ich mir überlegen, ob ich etwas daran verdienen möchte und mein Geschäftsmodell nachhaltig machen möchte oder aber auch nur "Marketing" mit grossen Namen machen möchte.


Doch irgendwann ist diese Entscheidung nicht mehr meine. Denn dann gerät das Ganze ins Ungleichgewicht. Ich kann meine Mitarbeiter nicht mehr zahlen, meine Miete wird zu teuer und ich kann keine Produkte mehr einkaufen. Ich frage mich manchmal ob ich einfach bitter werde und deshalb die Dinge schwarz sehe, oder ob es wirklich keine gute Lösung gibt ausser immer und immer weiter die Botschaft zu predigen "UNTERSTÜTZT DIE KLEINEN LÄDEN!"


Wir sind ein wenig vom Punkt abgekommen. Ich wollte euch eigentlich davon überzeugen, dass in kleinen nachhaltigen Läden einkaufen nicht teurer ist, habe aber glaube ich gerade eher einen Punkt dagegen gemacht. Eine Lösung hat es aber für das Problem: man kauft bei kleinen Produzenten ein mit denen man auf Augenhöhe arbeiten kann und gemeinsam einen fairen Preis für alle findet. Denn wenn ich meine Produzenten kenne, kenne ich ihre Story und verstehe, warum die Preise sind wie sie sind, dann kann ich das an meine Kunden so weitergeben. Anderseits kann ich aber auch dem Hersteller Feedback von Kunden weitergeben, wenn diese einfach nicht bereit sind den Preis zu zahlen.

Denn versteht hier alles nicht falsch; IHR, als die Kunden, haben hier alle Macht in den Händen. Ihr entscheidet wo ihr was einkauft und wen ihr unterstützt. Und ihr gebt mit diesen Entscheidungen die Macht jedes Mal ein wenig ab und ermächtigt jemand anderen.

Und schon sind wir wieder bei einem anderen gemeinen Punkt der Nachhaltigkeit: der Frage, warum immer ein paar wenige den Karren aus dem Dreck ziehen sollen? Vielleicht hat sich die manch einer bereits gestellt. Vor allem aus der jüngeren Generation hört man es vermehrt - warum soll ich "verzichten" oder "den Kürzeren ziehen", weil die es vor mir verbockt haben? Ich kann hier kein Argument geben, dass das widerlegt, das ist einfach schlichtweg unfair. Aber zwei Gedanken dazu habe ich trotzdem: einerseits sind vorherige Entscheidungen nicht mit einer bösen Absicht getroffen worden. Als Plastik erfunden wurde, war es einfach nicht klar, dass wir mal so ein Problem damit haben werden. Es hat nicht ein gemeiner Bösewicht den Plan geschmiedet, jetzt Stück für Stück die Erde zu vernichten. Anderseits haben wir, denen das Problem nun aktuell bewusst ist, eine einmalige Gelegenheit die Welt zu verbessern.

Und mir persönlich streichelt das ein wenig am Ego, wenn ich zu mir sagen kann, ich bin ein Weltverbesserer oder ganz klar gesagt, ich fühle mich oft wie ein besserer Mensch, wenn ich weiss, ich tue etwas und bin Teil der Lösung anstatt Teil des Problems zu bleiben. Das macht mich Stolz und gibt mir schon einen kleinen Kick.


An dieser Stelle bitte ich, dass nicht gegen mich zu verwenden. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich nur ein SEHR kleiner Teil der Lösung bin und nicht Gottes Geschenk zu einem Weltproblem. Aber dennoch! Ich tue etwas und jeder von euch, der mit mir im Boot sitzt, kann Stolz auf sich sein und sich öfters mal auf die Schulter klopfen. Well done!


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