Kennt ihr das: ihr seid im Supermarkt und sucht ein Produkt und auf einmal habt ihr das gleiche Produkt in 5 Varianten: Bio, Homebrand, Demeter oder oder oder. Aber wo genau liegt nun der Unterschied? Was ist besser? Und warum gibt es immer wieder neue Labels?
Ich finde das absolut überfordernd, denn oftmals verstehe ich nicht, was denn dahinter steht.
Und genau darum möchte ich euch eine kleine Übersicht geben, die euch hoffentlich ein wenig Klarheit bringt.
Gütesiegel im Food Bereich
Naturaplan
Das Gütesiegel der Firma Coop, welches Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft auszeichnet. Coop orientiert sich bei den zu erfüllenden Kriterien an denen der Knospe, also dem Gütesiegel der BIO SUISSE. Unter anderem wird dort geregelt, dass eine artgerechte Nutztierhaltung erfolgen muss, ebenfalls soll die natürliche Vielfalt auf einem Biohof gefördert werden. Mehr zu den Knospe-Kriterien lest ihr weiter unten. Das Coop-Gütesiegel wird jährlich kontrolliert und anschliessend von einer externen Akkreditierungsstelle zertifiziert. Grundsätzlich ist das Naturaplan-Gütesiegel hoch anzusehen. Coop überlässt nichts dem Zufall, fordert aber auch nicht mehr ein als etwa das BIO SUISSE Gütesiegel tut.
Die Frage ist hier also, warum braucht es eine extra Bezeichnung? Ich würde vermuten, dass hier eine kleine Marketingstrategie hinversteckt. Der Markt für Bio-Produkte wird immer grösser und die Konsumenten achten immer mehr darauf, wie Produkte hergestellt werden und was sie zu sich nehmen. Daher ist es nur verständlich, dass Coop auf diesem Markt mitmischen möchte und das Vertrauen der eigenen Kunden mit einem “eigenen” Gütesiegel gewinnen bzw. steigern möchte.
Migros Bio
Auch die Migros hat ihr eigenes Gütesiegel für Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft. Alle Rohprodukte kommen von Knospe-Betrieben und sind auch noch Bio-Suisse zertifiziert. Die Migros hat zwei verschiedene Standards für inländische und ausländische Produkte entwickelt wenn es um die Vergabe des Gütesiegels geht. Der Unterschied ist vor allem in den Kontrollbetrieben bzw. Akkreditierungsstellen. Das Migros Bio Label wird für alle Produkte vergeben, die das Knospe- oder das EU-Bio-Label haben. Hier gilt ein wenig das gleiche wie bei Coop. Warum braucht es ein eigenes Label, wenn man sich “nur” an anderen orientiert.
Ich finde bei beiden ist ein wenig die Chance vertan, noch strengere Auflagen zu haben, die die Produkte dann extra auszeichnen. In meinen Augen hätte es hierfür einen Markt.
Ich würde an dieser Stelle gerne einen kurzen Gedanken zum Thema “Geld verdienen mit Bio” einschieben. Grundsätzlich finde ich es richtig, dass für Bio-Produkte mehr gezahlt wird. Was ich nicht richtig finde ist die Kommunikation dazu:
Wir zahlen nicht MEHR für Bio-Produkte, sondern wir zahlen zu WENIG für andere Produkte.
Die schlechten Bedingungen unter denen die Produkte teilweise hergestellt werden, sind ein Resultat des ewigen Preiskampfes.
Knospe Bio Suisse
Die Knospe ist das Gütesiegel für Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft in der Schweiz. Um die Knospe auf dem Produkt zu erhalten müssen mindestens 90% der Rohstoffe aus der Schweiz kommen. Ausserdem müssen neben der artgerechten Tierhaltung, dem Verzicht auf Gentechnik und einer gesamtbetrieblichen Bioproduktion auf mindestens 12 Massnahmen zur Förderung der Biodiversität vorhanden sein. Auch die sozialen Anforderungen sind wichtig bei der Knospe: Es gilt eine Gleichstellung aller Mitarbeiter, es braucht schriftliche Arbeitsverträge, Überstundenkompensation, Gesundheit und Sicherheit, hygienische Einrichtungen und medizinische Versorgung. Also grundsätzlich das was viele von uns als Selbstverständlichkeit betrachten.
Um das Zertifikat zu erhalten gibt es eine jährliche Kontrolle mit anschliessender Zertifizierung. Ich finde das Knospe-Gütesiegel toll. Ich mag dass sie Themen wie Biodiversität und kurze Lieferketten fördern. Das ist für mich persönlich Nachhaltigkeit – eine Verflechtung der Themen und ein Anreiz zur Entwicklung. Für mich wäre es noch spannend zu wissen, ob zum Beispiel die Massnahmen zur Förderung der Biodiversität ebenfalls jährlich erneuert werden müssten.
FairTrade Max Havelaar
Die Stiftung Max Havelaar hat ein eigenes Gütesiegel für fair gehandelte Produkte, die grosse Anerkennung erfährt im Markt. Die Produkte mit dem Siegel müssen komplett aus Zutaten bestehen, die ebenfalls Fairtrade-zertifiziert sind. Für die Zertifizierungen gelten die Fairtrade Standards für Kleinbauernorganisationen bzw. Beschäftigte auf Plantagen und für Händler. Die zertifizierten Produkte müssen stets getrennt von nicht zertifizierten Produkten gehalten werden. Daneben gibt es eine Reihe von Vorgaben wie zum Beispiel eine Schulung der Mitarbeiter zum richtigen Umgang mit Chemikalien, dem Verbot die Vegetation in Schutzgebieten zu zerstören, Pufferzonen rund um Gewässer müssen eingehalten werden, es muss erlaubt sein für Mitarbeiter sich zu organisieren.
Das Siegel wird alle 3 Jahre kontrolliert, bei kleineren Organisationen gibt es die Möglichkeit die Kontrolle nur alle 6 Jahre stattfinden zu lassen. Während der Zertifikatsgültigkeitsdauer gibt es zwei Überwachungskontrollen.
Ich weiss dass das Fairtrade-Siegel super anerkannt ist. Ich persönlich habe aber mit zwei Dingen ein Problem. Erstens finde ich die Getrennthaltung von Fairtrade- und nicht Fairtrade-Produkten schwierig unter Berücksichtigung der Lieferketten. Was passiert zum Beispiel, wenn Lieferungen aus dem Ausland nicht genug sind um einen ganzen Container zu füllen? Ausserdem frage ich mich, ob diese Regelung für einen ganzen Hof gilt. Denn das finde ich nicht richtig für die Bauern. Er sollte sich absichern dürfen.
Als zweiten Punkt finde ich eine Zertifikatsgültigkeit von 6 Jahren für kleinere Betriebe nicht nachvollziehbar. Meine einzige Idee ist, dass es eine preisliche Frage ist. Aber da würde ich dann eher eine Preisreduktion in Betracht ziehen anstatt eine Verlängerung des Zertifikats.
Gehen wir mal über zu den Non-Food Produkten und Dienstleistungen.
Gütesiegel im Non-Food Bereich
Blauer Engel
Deutschlands staatliches Gütesiegel für umweltfreundliche und gesundheitsschonende Produkte und Dienstleistungen. Wow was ein Wort. Mit einem Blauen Engel werden Produkte ausgezeichnet, die ressourcenschonend hergestellt werden. Zu den weiteren Kriterien gehören: nachhaltige Produktion von Rohstoffen, Vermeidung von Schadstoffen im Produkt, Reduktion schädlicher Emissionen an Boden, Luft, Wasser und Innenraum, Reduktion von Lärm, Langlebigkeit, energie- und wassersparende Nutzung und Einhaltung der internationalen Arbeitsschutzstandards. Nach der Kontrolle wird das Zertifikat durch eine unabhängige Zeichenvergabestelle vergeben. Je nach Produkt ist die Nutzungsdauer des Zertifikats zwischen 2 und 4 Jahren.
Oecoplan
Mit Oecoplan hat Coop ebenfalls ein Gütesiegel für ökologisch optimierte non-Food Produkte und Dienstleistungen. Wir bereits bei Naturaplan stützt sich das Label auf anerkannte Umweltzeichen wie Knospe, FSC, natureplus und Energie-Etikette. Grundsätzlich werden nur bereits zertifizierte Produkte mit dem Oecoplan-Label ausgezeichnet und es wird nur auf ökologische Standards eingegangen. Die Kontrolle und die Zertifizierung erfolgt durch eine unabhängige Stelle.
Diese gibt das Label jeweils für 3 Jahre frei. Sowohl beim Blauen Engel als auch bei Oecoplan finde ich die Weite des Gütesiegels etwas limitiert. Vor allem wenn es um soziale Faktoren geht.
Auch wird nicht darauf hingearbeitet, dass vor allem eine lokale bzw. regionale Herstellung von Rohstoffen gefördert wird. Das scheint insgesamt ein Schwachpunkt bei vielen Gütesiegeln zu sein.
Ich könnte mir vorstellen, dass das vor allem daran liegt, dass es die Träger des Siegels einschränkt in ihrem Einkauf. Und vor allem sehr unflexibel macht wenn es um Rohstoff-Kosten und -Verfügbarkeiten geht.
Cradle to Cradle
Hier geht es um das Gütesiegel des Cradle to Cradle Products Innovation Instituts für umweltgerechte und kreislauffähige Materialien und Produkte. Cradle to Cradle zertifiziert auf verschiedenen Ebenen. Um überhaupt ein Siegel zu bekommen müssen Grundvoraussetzungen erfüllt werden. Das ist vor allem die transparente Darstellung aller Produktinhaltsstoffe und des Produktionsprozesses. Danach gibt es immer strenger werdende Kriterien für die Level Silver, Gold und Platin. Die Steigerung besteht oftmals darin, dass nicht nur Bewertungen erfolgen sondern auch konkrete Ziele genannt werden, die erfüllt werden müssen sowie Pläne zum Management erarbeitet werden müssen. Für eine Silberauszeichnung zum Beispiel braucht es die Erstellung eines Wassermangementplans und die Nutzung von Solarenergie im Herstellungsprozess. Für Platin braucht es dann den Einsatz von 100% erneuerbarer Energie und das Wasser, welches aus dem Produktionsprozess austritt muss Trinkwasserqualität haben.
Teilweise sind die Ziele sehr hoch, doch ich finde es toll, dass es eine Steigerung gibt und man den Betrieben erlaubt ihre Produkte sowie die Produktionsweise schrittweise in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln.
Fair to Life
Die Ecocert-Gruppe hat ebenfalls ein Gütesiegel für fair gehandelte sowie sozial- und umweltverträgliche Produkte. Im Vordergrund stehen die langfristigen Handelsbeziehungen und faire Preise. Aber auch die Förderung der Bauern und deren Arbeitnehmern. Daher wird auch sehr auf die Grundrechte der Arbeitnehmer geachtet. Im Umweltbereich wird vor allem auf die Müllentsorgung und die Ressourcenschonung geachtet. Die Kontrolle erfolgt einmal jährlich durch regionale Büros. Sollte ein Betrieb Mängel aufgezeigt bekommen, haben sie jeweils 2 Monate Zeit diese zu beheben. Nach Erfüllung der Kritikern bekommen die Betriebe ein Zertifikat für 4 Jahren.
Gut finde ich dass es einen Ansatz gibt, bei dem Mängel deutlich ausgewiesen werden, aber gleichzeitig eine Chance auf Verbesserung besteht. Hier würde ich erwarten, dass den Betrieben auch geholfen wird bzw. Tipps an die Hand gegeben wird, wie die Mängelbehebung aussieht.
EU-Ecolabel
Hier geht es um das staatliche Gütesiegel der EU für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen. Die Kriterien sind sehr weit gefasst und ein genauer Katalog ist leider nicht einsehbar. Verschmutzungen von Boden, Wasser und Luft soll vermieden werden, Abfall soll ebenfalls vermieden werden und die Ressourcen sollten geschont werden. Nach der Kontrolle wird eine anschliessende Zertifizierung für 2 bis 5 Jahre ausgegeben.
Ich persönlich finde die Informationen zu diesem Label ziemlich dürftig und bin mir nicht sicher, ob es bei mir mehr Vertrauen oder eher Misstrauen hervorruft.
klimaneutral
Ein Schweizer Label welches Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen erlaubt, die unvermeidbaren CO2-Emissionen über anerkannte Klimaschutzprojekte auszugleichen. Das Gütesiegel wird von ClimatePartner Switzerland AG verwaltet. Zunächst werden alle direkten und indirekten CO2-Emissionen erfasst. Dabei werden auch alle weiteren durch das Kyoto-Protokoll regulierten Treibhausgase berücksichtigt. Gemeinsam werden langfristige Vermeidungs- und Reduktionsmassnahmen ermitteln und eingeleitet. Die unvermeidbaren Emissionen werden kompensiert. Die Projekte sowie die Zahlungen sind nach internationalen Kriterien zertifiziert. Die Kontrolle erfolgt einmal jährlich rückwirkend für das Geschäftsjahr. Das Zertifikat gilt dann jeweils für 1 Geschäftsjahr.
Ich mag den Ansatz, dass gemeinsam Massnahmen definiert werden, die eine Verbesserung hervorrufen. Es wird nicht immer nur der Status Quo bezahlt, sondern das Ziel ist es, die Emissionen langfristig zu reduzieren. Ich habe in einem früheren Job die Verantwortung gehabt für das klimaneutral-Label. Es ist wirklich ein gemeinsamer Prozess mit vielen Anregungen und Tipps für die Umsetzung.
Energie-Etikette
Diese staatlich anerkannte Deklaration vom Bundesamt für Energie hilft bei der Darstellung des Energieverbrauchs, vergibt aber keine Zertifizierung. Die Etikette gibt Auskunft zur Energieeffizienz sowie zum Energie- oder Elektrizitätsverbrauch. Um die Angaben auf den Geräten zu prüfen, werden jährliche Stichproben durchgeführt. Gerade erst aktuell hat man Änderungen an der Einteilung vorgenommen. Das gilt es jeweils zu beachten.
Jetzt habe ich euch erst einmal mit vielen Informationen zu den einzelnen Labels zugeschüttet. Ich hoffe ihr konntet soweit alles verarbeiten. Auf ein paar abschliessende Gedanken möchte ich hier noch eingehen.
Für mich stellt sich bei vielen Labels die Frage nach der Entwicklung. Die meisten bewerten einen Status Quo, also eine Momentaufnahme. Doch es steht nur bei einigen, dass sie auch eine Weiterentwicklung fördern bzw. diese unterstützen. Ich frage mich schon, ob die anderen das ebenfalls machen oder ob schlussendlich immer wieder das gleiche bewertet wird. Ihr kennt mich, ich rede oftmals von einer nachhaltigen Entwicklung und daher fände ich es wichtig, dass auch bei Gütesiegeln eine Verpflichtung zur Entwicklung besteht.
Viele dieser Labels fokussieren sich auf die Umwelt bzw. deren Schutz. Auch die sozialen Aspekte spielen eine Rolle, doch ich frage mich schon, wie allumfassend nachhaltig die Siegel dann sind. Und ob es hier eventuell langfristig noch Verbesserungspotential gibt.
Es sind kaum Informationen zu finden, wie regelmässig die Siegel und Kriterien der Siegel überarbeitet werden. Ich habe gerade bereits angesprochen, Nachhaltigkeit ist eine Entwicklung und das Thema entwickelt sich stetig weiter. Man weiss mehr, es gibt andere Annahmen. Ich finde das müsste sich auch in den Kriterien der Siegel wieder spiegeln. Auf jeden Fall sollte es offen kommuniziert werden.
Was mich wirklich erstaunt ist dass es doch noch viele Einzelhändler gibt, die den Sinn für ein eigenes Label sehen. Für den Konsumenten finde ich das verwirrend. Es gibt so viele und unterscheiden tun sie sich dann doch nicht. Warum hat es dann aber so viele? Ist es dann doch nur eine Preispolitik oder ein Trend, auf den alle aufspringen? Warum kann es nicht eine Vereinfachung geben, zB. auf dem regionalen Markt oder auf nationaler Ebene.
Was hier nicht erwähnt ist sind die Preiskämpfe hinter Gütesiegeln. Mittlerweile gibt es ein rechtes Geschäft mit Siegeln. So sehr, dass sich kleine Betriebe eine Zertifizierung nicht leisten können. Und ich finde das auch nicht wichtig, dass alle Betriebe zertifiziert sind. Wenn ich meine Eier beim Bauern nebenan kaufe, den ich persönlich kenne, wo ich die Hühner und ihre Lebensbedingungen sehe und weiss wie sie gepflegt werden, braucht es dann eine Biozertifizierung? Für mich ganz klar nicht. Genauso bevorzuge ich regionale oder lokale Produkte vor weit gereisten Bio-Lebensmitteln. Ich denke das ist eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss.
Heute seid ihr zugeschüttet worden mit vielen Informationen und ich weiss nicht recht, ob ich Licht in den dichten Dschungel der Labels bringen konnte. Wenn ihr eines mitnehmen solltet aus dem heutigen Beitrag ist das folgendes:
Jedes Label, jedes Siegel und jede Deklaration muss kritisch hinterfragt werden. Vertraut niemandem blind, sondern nehmt euch Zeit euch zu informieren und diese Informationen in einen Zusammenhang zu bringen.
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